Basketball-EM: Herbert spricht über den Kader und die Ziele

Basketball-EM: Herbert spricht über den Kader und die Ziele – NBA – Basketball – diesportexperten.de



Franz Wagner, Daniel Theis, Dennis Schröder, der eingebürgerte Nick Weiler-Babb, die fehlenden Spieler und das Medaillenziel trotz komplizierter Gruppenphase: Basketball-Bundestrainer Gordon Herbert spricht vor der Heim-EM ausführlich im kicker-Interview.


Mit einem leicht veränderten 14er Kader geht die deutsche Basketball-Nationalmannschaft am heutigen Freitagabend (20.30 Uhr) in das Supercup-Duell mit Tschechien. Vor dem Härtetest in Hamburg musste Bundestrainer Herbert bereits schwierige Entscheidungen treffen und hatte bei der Ausbootung des langjährigen Kapitäns Robin Benzing deutlich gemacht, alles dem sportlichen Erfolg unterzuordnen.


Die aktuelle Spieler-Generation wird als die bisher beste der deutschen Basketball-Geschichte angesehen, in der Breite auch besser als die Teams um Dirk Nowitzki. Dadurch steigen die Erfolgserwartungen. Wie gehen Sie damit um, Herr Herbert?


Unser Ziel ist eine Medaille bei der EM, wir haben also hohe Erwartungen an uns selbst. Wir stellen uns der Thematik, weil wir eine sehr talentierte Gruppe haben. Leider fallen jedoch Moritz Wagner, der zusammen mit Daniel Theis und unserem Co-Kapitän Johannes Voigtmann die Big-Three unter den Körben bilden sollte, und Issac Bonga verletzt aus. Aber das passiert und gibt anderen die Gelegenheit, die Lücken zu füllen und sich zu zeigen.


Bei aller Freude über die wohl talentierteste Generation, sind einige weitere gute Spieler nicht dabei, die teilweise auch ihre Spuren in der Nationalmannschaft hinterlassen haben. Aus der NBA fehlen neben Wagner und Bonga auch Maximilian Kleber und Isaiah Hartenstein, dazu kommen die Euroleague-Spieler Danilo Barthel, Paul Zipser und Tibor Pleiß, der zuletzt zweimal mit Anadolu Efes Istanbul die Königsklasse gewann und im jüngsten Finale als Man of the Match ausgezeichnet wurde. Wie schwer wiegen all diese Ausfälle?


Die einzigen beiden über die ich sprechen möchte, sind Danilo und Paul Zipser. Beide fehlen aus gesundheitlichen Gründen und haben mir das bereits im Mai mitgeteilt. Danilo konnte wegen einer Knieverletzung in der vergangenen Saison nur wenig spielen. Und Paul hat wegen seiner Hirnblutung im Sommer 2021 auch leider fast die gesamte Saison gefehlt, schön dass er im Frühjahr überhaupt wieder auf das Feld zurückkehren konnte und sich zurückkämpft. Ansonsten spreche ich nur über Spieler, die sich zum Nationalteam bekannt haben und sich aufopfern, für ihr Land zu spielen.


Sind Sie daher enttäuscht über Kleber und Hartenstein, die abgesagt haben, um sich in der Sommerpause zu erholen?


Bitte respektieren Sie, dass ich überhaupt nicht über sie reden werde.


Aber wir müssen über Pleiß reden, der kürzlich sagte, dass er wegen einer Oberschenkelverletzung schon länger nur mit Schmerzmitteln für seinen Klub spielen konnte, diese auskurieren möchte und darüber auch mit Ihnen gesprochen hat.


Ja, er hat auch eine kleine Verletzungssituation, über die wir geredet haben. Unsere Ärzte haben sich die Diagnosebilder angeschaut. Am Ende hat er die Entscheidung getroffen, wegen eines kleineren Verletzungsstatus nicht zu spielen.


Gerade Barthel und Zipser hätten auch als Typen wohl gut ins Team gepasst.


Ich habe Danilo drei Jahre in Frankfurt trainiert, kenne ihn daher sehr gut. Es ist bitter, dass er, Isaac, Moritz und Paul ausfallen, aber es ist wie es ist und letztlich Teil des Profisports. Zudem wollen wir jetzt schon einen Mannschaftskern bilden, der sich für die nächste drei Jahre bekennt. Wir haben jetzt die EM, nächstes Jahr hoffentlich die WM und 2024 hoffentlich Olympia. Es ist wichtig, dass sich ein Kern für diese Ziele einspielt und sich die Spieler gut kennen, weil du in den Sommerfenstern immer nur wenig Zeit hast für Training und Teambuilding.


Lassen Sie uns über die Spieler sprechen, die dabei sind. Viele im Land sind gespannt auf Franz Wagner, der schon mit 16 und 17 Jahren mit Alba Berlin im BBL-Finale stand, seit 2019 aber in den USA spielt und zuletzt eine erstaunlich starke NBA-Premierensaison für die Orlando Magic hinlegte. Wie ist Ihr Eindruck?


Er ist noch besser als ich dachte. Er wird erst kurz vor EM-Start 21 Jahre alt, wir erwarten, dass er eine der Hauptstützen in der Nationalmannschaft wird, nicht nur dieses Jahr, sondern mindestens innerhalb dieses Drei-Jahre-Commitments.


Ihr neuer Kapitän Dennis Schröder und sein langjähriger Kumpel Daniel Theis haben die meiste NBA-Erfahrung vorzuweisen. Was erwarten Sie von beiden?


Sie haben über Jahre in der NBA und auf Nationalteam-FIBA-Level sehr gute Leistungen gezeigt. Sie sollen das Team vorwärtsgewandt anführen und ein Beispiel geben, was für den Erfolg getan werden muss. Wir haben noch Maodo Lo, der meiner Meinung nach einer der besten Aufbauspieler der Euroleague in der abgelaufenen Saison war. Mit Dennis und ihm haben wir ein sehr dynamisches Duo auf der Spielmacherposition.


Bei der eher enttäuschenden WM 2019 war es in manchen Partien ein Problem, dass der deutsche Angriff zu sehr von Schröder und Theis dominiert war, die sich eben schon lange kennen und auch Pick’n’Roll zusammenspielen können. Haben Sie das mit beiden thematisiert?


Wir sind gerade erst in der zweiten Vorbereitungsphase, wo wir uns um Teamdynamik und darum kümmern, wie wir spielen wollen. Als ich im September 2021 den Bundestrainer-Job übernommen habe, ging es für alle Spieler bei Null los, wenngleich ich natürlich frühere Leistung für das Nationalteam respektiere. Ich kann zu dem Thema nicht viel sagen, wir werden sehen, wie es wird. Was für mich zählt: Beide sind wichtige Spieler, haben sich für unseren Drei-Jahres-Plan verpflichtet und sind sehr stolz, weiter ihr Land zu repräsentieren. Zuerst müssen wir ein gutes Team werden und dann brauchen wir natürlich auch die individuellen Talente unserer Jungs. Viele haben sich seit 2019 weiterentwickelt.


An wen denken Sie?


Maodo Lo, Johannes Voigtmann, Johannes Thiemann oder Andi Obst sind eindeutig bessere Spieler geworden – um nur einige zu nennen. Jetzt kommt Nick Weiler-Babb dazu, es wird spannend und wir versuchen die beste Mischung zu finden.


Während es bei anderen Nationen üblich ist, dass ein eingebürgerter US-Amerikaner mitspielt, hat der DBB darauf verzichtet, seit Chris Kaman 2011 aufgehört hat. Warum ist jetzt Weiler-Babb dabei, der erst vor Kurzem seinen deutschen Pass erhielt?

Gordon Herbert


Gordon Herbert bei einer Ansprache.
picture alliance/dpa


Seine Großmutter ist eine Deutsche und wir haben erfahren, dass er sehr daran interessiert ist, den deutschen Pass zu bekommen und für Deutschland zu spielen. Er spielt seit drei Jahren in der BBL und zuletzt auf einem hohen Niveau in der Euroleague und ist eine herausragende Person. Es hat gut gepasst.


Es hat zum Bedarf auf den Guard-Positionen gepasst, wo die Auswahl in der Breite nicht so gut ist wie auf den großen Positionen.


Ja, er passt in die Zweier-Position als Shooting Guard.


Sie müssen zur EM den Kader noch von 14 auf zwölf Spieler reduzieren. Worauf kommt es da besonders an?


Wir haben die großen Stücke, jetzt müssen wir das Puzzle noch mit den kleineren Teilen komplettieren. Die kleineren Teile sind aber sehr wichtig. Wir brauchen auf den Positionen zehn bis zwölf friedfertige Teamplayer, die vielleicht nicht die besten Allrounder sind, aber als Rollenspieler spezielle Fähigkeiten haben, die unsere besten Jungs gut ergänzen. Wir brauchen einen Schützen, eine Defensivspezialisten und einen Center, der gut im Pick’n’Roll ist. Wir haben fünf Spieler auf den großen Positionen vorgesehen und werden daher auf den kleinen Positionen noch zwei Spieler streichen.


Was erwarten Sie von Ihren EM-Gruppengegnern, allen voran den Top-Teams Frankreich, Slowenien und Litauen?


Es ist eine sehr harte, aber auch sehr interessante Gruppe, in der es sicher schwierige Spiele werden. Frankreich ist sehr talentiert, Slowenien ist mit Doncic Elite-Level und auch Litauen mit seinen zwei großen NBA-Spielern Valanciunas und Sabonis hat eine sehr gute Vorbereitung gespielt. Auch Bosnien und Ungarn werden gut sein. Wir haben nur zwölf echte Trainingstage vor der EM, wir müssen einfach schauen, dass wir bereit sind, um jedes Spiel für sich anzunehmen. Unser Ziel ist es, ins Achtelfinale nach Berlin zu kommen, um dort um eine Medaille zu kämpfen.

Interview: Carsten Schröter-Lorenz

© – by kicker.de

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